Medizinische Universität zu Lübeck
Institut für Technische Informatik
(Direktor: Prof. Dr.Ing. Erik Maehle)
Ratzeburger Allee 160
D-23538 Lübeck
Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Werner Brockmann
Telefon: (0451) 500-3691
Telefax: (0451) 500-3687
E-Mail: brockman@iti.mu-luebeck.de
Ausstellungsbereich: Automatisierung
/ Informatik
Stichworte:
Neuro-Fuzzy-Systeme, Fuzzy-Control, Adaptive Regelungen, Lernen
in Echtzeit, Low Cost-Automatisierung
Ausführliche Informationen:
Darstellung des Institutes
Vorstellung der Exponate zum Forschungsforum ´97
Weitere Forschungsschwerpunkte
Darstellung des Institutes
Das Institut für Technische Informatik befaßt sich
mit hardwarenahen Fragestellungen der Informatik, insbesondere
mit dem Entwurf digitaler Hardware für Rechner oder Rechnerkomponenten
und mit systemnaher Software. Die Forschung teilt sich in die
drei Themenbereiche Parallelrechner, Fehlertoleranz und Neurocomputing.
Eine Arbeitsgruppe ´Parallelrechner´ befaßt sich
mit Systemen, die aus einer Vielzahl miteinander kommunizierender
Prozessoren bestehen. In derartigen Systemen kann durch die gemeinsame,
parallele Bearbeitung einer Aufgabe eine hohe Verarbeitungsleistung
erzielt werden, wie sie z.B. für die Berechnung von Molekülmodellen,
die Simulation von Strömungsvorgängen oder die Verarbeitung
komplexer Bilder gebraucht wird. Zum einen wird an der Hardwarearchitektur
von Parallelrechnern gearbeitet. Insbesondere ist in Kooperation
mit dem Paderborner Sonderforschungsbereich 'Massive Parallelität'
ein regelbasierter Routingchip Gegenstand der Betrachtungen, der
eine flexible und schnelle Kommunikation der Prozessoren untereinander
erlaubt. Zum anderen beschäftigen sich die Arbeitsgruppe
mit Software-Werkzeugen zur Leistungsmessung und Fehlerdiagnose
in Parallelrechnern und mit Verfahren zur wissensbasierten Lastbalancierung
in parallelen und verteilten Systemen.
Ein wichtiges Problem bei großen Parallelrechnern mit Hunderten
oder Tausenden von Prozessoren ist die hohe Wahrscheinlichkeit
für Systemausfälle durch Hardwarefehler. Eine Lösung
ist der Einsatz von Fehlertoleranzverfahren, mit deren Hilfe das
System trotz interner Fehler seinen spezifizierten Dienst weiter
erfüllen kann, d.h. ein Anwenderprogramm wird weiterhin fehlerfrei
ausgeführt. Die Arbeitsgruppe 'Fehlertoleranz' hat derartige
Verfahren im Rahmen des ESPRIT-Projekts FTMPS mit verschiedenen
europäischen Partnern entwickelt, u.a. für Parallelrechner
der Firma Parsytec, Aachen. Darüber hinaus werden Simulationen
von Fehlertoleranzverfahren für unterschiedliche Systemarchitekturen
durchgeführt und neue Ansätze für eine fehlertolerante
Aufgabenverteilung (Scheduling) auf parallel arbeitende Prozessoren
in einem DFG-Projekt untersucht.
Die Arbeitsgruppe ´Neurocomputing´ hat zum Ziel, die Informationsverarbeitung von (einfachen) Lebewesen mit technischen Systemen nachzubilden und für komplexe sensorische und motorische Verarbeitungsprobleme zugänglich zu machen. Für solche auch ´kognitiv´ genannten Systeme werden auf der Basis intelligenter, interagierender Module geeignete Verarbeitungsmechanismen und Systemstrukturen (Software und Hardware) erarbeitet. Dabei kommen wegen ihrer Anschaulichkeit und Flexibilität sowohl wissensbasierte als auch lernfähige Verfahren zum Einsatz. Hierzu zählen Fuzzy Verfahren, die Expertenwissen sprachlich mittels 'unscharfer' WENN-DANN-Regeln formulieren. Dadurch sind viele Steuerungsaufgaben intuitiv lösbar, die durch klassische Methoden nur schwer beschrieben werden können. Eine Weiterentwicklung sind Neuro-Fuzzy-Systeme, die zusätzlich, ähnlich wie neuronale Netze, in der Lage sind, ihr Verhalten aus Referenzdaten oder nach geeigneten Vorgaben aus dem Prozeßverhalten selbst zu erlernen. Dies dient einerseits der Vereinfachung des Entwurfs und andererseits der Erhöhung der Flexibilität von Echtzeitsystemen. Einsatzgebiete, die teilweise gemeinsam mit Industriepartnern untersucht wurden, waren vorzugsweise schnelle Antriebssysteme. Derzeit wird die Verbindung von Expertenwissen und Lerntechniken verstärkt für die Verarbeitung von Kamerabildern unter Echtzeitbedinungen und für autonome mobile Roboter eingesetzt.
Vorstellung der Exponate zum Forschungsforum ´97
Lernfähige und wissensbasierte Methoden haben sich bereits
in einer Vielzahl von Informationsverarbeitungsproblemen bewährt,
bei denen zwar Referenzdaten oder Expertenwissen vorliegen, aber
eine formale Beschreibung aufgrund fehlender Modelle oder sich
stark ändernder Prozeßgrößen nur sehr aufwendig
möglich ist. Dafür können im wesentlichen zwei
Gründe unterschieden werden. Zum einen liegt vielfach nicht
genügend Wissen vor Inbetriebnahme eines Automatisierungssystems
vor, um dessen Verhalten für alle Betriebssituationen vollständig
zu spezifizieren, oder die vollständige Spezifikation ist
zu aufwendig. Zum anderen kann sich das Verhalten des Prozesses,
der durch ein Automatisierungssystem kontrolliert wird, im Laufe
der Zeit ändern.
Besonders anschaulich wird dieser Problembereich bei der Regelung
technischer Prozesse, bei der es sich letzlich um das Finden einer
geeigneten funktionalen Abbildung mehrerer Eingangsgrößen
auf eine oder mehrere Ausgangsgrößen handelt. Ist diese
nichtlinear, bietet sich der Einsatz von nichtlinearen Funktionsapproximatoren
wie Neuronalen Netzen oder Fuzzy-Logik-Systemen an. Durch den
Einsatz von Lerntechniken soll die Flexibilität der Verarbeitung
(Autonomie) erhöht und damit der Entwicklungsaufwand reduziert
werden. Dies kann durch eine Selbsteinstellung des Kontrollverhaltens
und durch fortgesetzte Adaption an ein zeitvariantes Prozeßverhalten
geschehen. Wichtig ist in den meisten Automatisierungsanwendungen
allerdings, daß sicherheitskritische Betriebsbereiche zuverlässig
vermieden werden. Das muß selbst während des Lernens
sichergestellt sein.
In der Automatisierungstechnik sind Neuro-Fuzzy-Systeme zu favorisieren,
denn sie erlauben das von Fuzzy-Systemen bekannte Einbeziehen
von (a priori-)Wissen, um einen sicheres Verhalten zu erzeugen,
und verbinden dies mit der Lernfähigkeit Neuronaler Netze.
Dadurch vereinfachen sie oft die Wissenserfassung und machen auch
komplexe, zeitvariante Prozesse beherrschbar. Im Gegensatz zu
Neuronalen Netzen ermöglichen Neuro-Fuzzy-Systeme wegen der
Speicherung des Wissens in Form von Regeln zusätzlich das
Interpretieren und nachträgliche Optimieren des gelernten
Wissens.
Leider geraten einstufige Neuro-Fuzzy-Systeme bei zunehmender
sensorischer oder motorischer Komplexität an Grenzen, insbesondere
hinsichtlich der Beherrschbarkeit des Entwurfs und des Implementierungsaufwandes
für das Zielsystem. Die applikationsspezifische Strukturierung
des Automatisierungssystems in interagierende (Neuro-Fuzzy-)Teilsysteme
stellt hier die Lösung dar. Ein zentraler Punkt dabei ist
die Mächtigkeit und Flexibilität der eingesetzten Module.
Deshalb wird ein synergetischer Ansatz verfolgt, der wissensbasierte
(symbolische), lernfähige (neuronale) und Fuzzy Verarbeitung
integriert. Die Module basieren vorzugsweise auf laufzeit-effizienten
Neuro-Fuzzy Ansätzen (z.B. dem am Institut für Technische
Informatik entwickelten nfe!-Ansatz), weil Vorwissen, insbesondere
über die Vermeidung sicherheitskritischer Betriebsbereiche
oder über Grenzwerte, direkt eingebunden werden kann. Die
nötige Flexibilität wird durch online-Lerntechniken
erreicht, die Wissen auch im laufenden Betrieb unter harten Echtzeitbedingungen
erfassen. Dabei stellen Lernverfahren in mehrstufigen und rückgekoppelten
Systemen eine besondere Herausforderung dar.
Auf dem Forschungsforum´97 wird die Einsatzbreite von derart
strukturierten Systemen an zwei Beispielen demonstriert. Ein einfacher
Aufbau zum Balancieren eines stehenden Stabes zeigt typische Aspekte
eingebetteter Systeme in Low Cost-Applikationen. Die Realisierung
erfolgte hierbei auf einem einfachen 8-Bit-Mikrocontroller (68HC11).
Sie basiert auf einer problemangepaßten Strukturierung des
Kontrollsystems in fünf Teilsysteme, die jeweils mit einem
auf Geschwindigkeit optimierten regelbasierten Verfahren implementiert
sind. Dadurch wird bei einem Speicheraufwand von unter 2 KByte
eine Abtastzeit von 5 ms (einschließlich Lernen) erreicht.
Dies Beispiel ist damit typisch für Anwendungen aus Bereichen
wie der KFZ- und Haushaltselektronik sowie Mechatronik und Mikrosystemtechnik,
wo die Herstellungskosten eine entscheidende Rolle spielen.
Low Cost-Realisierung einer adaptiven, modellfreien
Regelung am Beispiel des Balancierens eines stehenden Stabes mit
Lernen unter harten Echtzeitbedingungen auf einem 68HC11-Mikrocontroller.
Das Beispiel der adaptiven Regelung eines pneumatisch betriebenen,
zweiachsigen Roboters vom SCARA-Typ markiert ein anderes Extrem.
Weil hier für die Regelung 16 Fuzzy-Variablen zu verarbeiten
sind, ist die Komplexität des Systems, insbesondere gemessen
in der Anzahl zu spezifizierender Fuzzy-Regeln, so hoch, daß
Standardmethoden nicht direkt anwendbar sind. Deshalb kommt der
am Institut für Technische Informatik entwickelte NetFAN-Ansatz
(Network of Fuzzy Adaptive Nodes)
zum Einsatz. Durch eine applikationsspezifische Dekomposition
in kleinere Teilsysteme wird der Entwurfs- und Implementierungsaufwand
soweit reduziert, daß eine Implementierung inkl. Lernen
auf einem PC möglich ist. Für das Problem des Lernens
in solchen verkoppelten, mehrstufigen Systemen wurden spezielle
unter Echtzeitbedingungen einsetzbare Lernverfahren entwickelt.
Adaptive Regelung mit Hilfe des NetFAN-Ansatzes
(Network of Fuzzy Adaptive Nodes)
am Beispiel eines kamerageführten, pneumatisch betriebenen
Roboterarms mit Lernen unter harten Echtzeitbedingungen.
Wie beide Beispiele zeigen, können Neuro-Fuzzy-Methoden sinnvoll von Low Cost-Applikationen bis zu komplexen Aufgaben eingesetzt werden. Entscheidend ist dabei die Lernfähigkeit unter Echtzeitbedingungen, die nötig ist, um im laufenden Betrieb die funktionale Abbildung, die zur Regelung notwendig ist, flexibel einzustellen. Da Neuro-Fuzzy-Systeme Vorwissen zum Vermeiden sicherheitskritischer Betriebsbereiche aufnehmen können, bilden sie eine sinnvolle Alternative zu Neuronalen Netzen. Sie sind wie diese universell auch für andere Aufgaben geeignet, z. B. zum Modellieren des Prozeßverhaltens oder anderer funktionaler Zusammenhänge. Die applikationsspezifische Strukturierung und die Speicherung des Wissens in Form von Regeln macht sich dabei vielfach in einer besseren Konvergenz und einer geringeren Anzahl benötigter Lerndaten bemerkbar.
Weitere Forschungsschwerpunkte
Mobile Roboter, Parallelrechner, Fehlertolerante Rechensysteme